Zieglerei

Im 13. Jahrhundert begannen die Mönche von St. Urban damit, Ziegel und Backsteine selber herzustellen. Zu einer weitherum begehrten Spezialität entwickelten sie ihre Kunst, grosse Backsteine für Bauten mit vielfältigen Mustern zu verzieren.

Die Mönche und die Ziegelherstellung

Backsteine sind in St. Urban ab den 1230er Jahren erhalten, und so ist anzunehmen, dass die Mönche in dieser Zeit begannen, selber Backsteine herzustellen.1 Die Voraussetzungen dazu waren in Niederthundwil ausgezeichnet: reichliche, gute Tonvorkommen und fliessendes Wasser. Auch verfügte das Kloster über den nötigen Nachschub an Brennholz. Das Wasser der Rot wurde in einem Kanal zur Ziegelhütte geleitet. Nicht nur der Kanal besteht immer noch; wahrscheinlich an derselben Stelle wie die einstige klösterliche Ziegelanlage befinden sich heute die Ziegelwerke Roggwil AG.

Um eine Ziegelei aufzubauen, die in der Lage ist, einen ganzen Klosterneubau mit Baumaterial zu versorgen, war einerseits hohes technisches Wissen notwendig, andererseits eine langfristige Planung. Der Ton wurde in der frostfreien Jahreszeit gewonnen, durchnässt und einen Winter lang gelagert. Im Frühjahr konnte man den nochmals gesumpften, also gleichmässig durchnässten Lehm formen. Während des Sommers trockneten die auf Gestellen geschichteten Stücke vollständig aus – manche Tierspur in Ziegeln oder Bodenplatten zeugt noch heute davon. Im Herbst oder Winter wurden die Stücke endlich gebrannt. Der ganze Vorgang vom Lehm zum fertigen Backstein dauerte etwa eineinhalb Jahre.

Rasch erlernten die Mönche von St. Urban das Zieglerhandwerk und führten es zu einer einzigartigen Blüte, indem sie ihre Backsteine mit eingestempelten Mustern zu verzieren begannen. Wohl als Ersatz für das Bildverbot des Ordens unter Bernhard von Clairvaux – woran man sich lange Zeit hielt – entwickelten die zisterziensischen Künstler einen schöpferischen Reichtum an Flechtband- und anderen Ornamenten. Diese Muster wurden gesammelt, beispielsweise im «Reiner Musterbuch»2 aus dem Zisterzienserkloster Rein in der Steiermark, das mehr als vierzig verschiedene Muster für Bodenfliesen enthält. Mit der Zeit entwickelten die Mönche eine solche Kunstfertigkeit, dass sie auch grossformatige Backsteine in verschiedensten Bauformen herzustellen vermochten. In der späteren Zeit der Backsteinproduktion kamen auch figürliche Stempelmotive dazu.

Es erstaunt nicht, dass die Zier-Baukeramik aus St. Urban zu einer begehrten Handelsware wurde für die Bedürfnisse und den Geschmack einer adeligen und später auch bürgerlichen Kundschaft. Die Produktion hielt bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts an, wurde dann aber aus ungeklärten Gründen eingestellt. Von den klösterlichen Backsteinbauten ist heute nichts mehr vorhanden. Guglerkrieg 1375, Umbauten und Brände zerstörten sie. Was als Schutt übrig blieb, wurde als Baumaterial für Neubauten verwendet.




1 Text nach Wenger, Lukas: Neue St. Urban-Backsteine nach altem Vorbild, in: Jahrbuch des Oberaargaus, Band 41, Merkur Druck, Langenthal, 1998. 239-241. Up

2 Das Reiner Musterbuch wird im Sommer 2003 in einer Ausstellung gezeigt. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Website des Stifts Rein unter http://www.stift-rein.at. Besten Dank für die freundliche Mitteilung im Februar 2003 vom Prior des Stifts, P. Thomas Friedmann! Up