Grünenberg zwischen Bern und Habsburg

Vortrag von Lukas Wenger, gehalten an der Hauptversammlung des Historischen Vereins des Kantons Bern1 vom 20. Juni 1999 in Melchnau.

Die Familie von Grünenberg – letzter Glanz unter Wilhelm von Grünenberg

Wie kaum ein anderer seiner Familie hat Wilhelm von Grünenberg, geboren um 1380, eine vorzügliche Erziehung am Hof von Savoyen in Ripailles bei Evian genossen. 1407 erhält er den Ritterschlag. Nach den grossen Umwälzungen im Aargau 1415 verkauft er die Lehen im Buchsgau an die Stadt Bern. Nach einem verlorenen Rechtshandel mit dem Kleinen Rat von Bern – es geht dabei um Rechte bei Aarwangen – mag wohl die Verstimmung gegen die Stadt wieder grösser geworden sein.

Seit dem Tode von Johann Grimm III. befreit von sämtlichen anderen Verpflichtungen, kann Wilhelm ab 1429 ganz nach eigenem Gutdünken vorgehen. Grundsätzlich steht er erneut, wie seine Vorfahren 1313 (Empfang Leopolds von Habsburg in Zofingen), vor der selben Wahl: Bern oder Habsburg. Und es bietet sich die Gelegenheit, sich ohne Gesichtsverlust aus unserer Region zurück zu ziehen. Die Herrschaft Aarwangen, für Bern wie ein Querriegel zwischen dem Amt Wangen und den neuen Gebieten im Aargau, kann Wilhelm verkaufen. Er erhält von der Stadt Bern 8 400 rheinische Gulden – was heute ein mehrfacher Millionenbetrag wäre. Zugleich löst Wilhelm auch den Burgrechtsvertrag mit Bern von 1407, die Trennung verläuft freundschaftlich. Es gilt aber weiterhin die Bestimmung aus demselben Vertrag, dass die Feste Grünenberg für Bern offenes Haus bleibt.

Burg Stein bei Rheinfelden, Modell im Fricktaler Museum, RheinfeldenWilhelm löst sich von Bern, um nicht zwischen der Stadt und Habsburg doppelt gebunden zu sein. Mit dem Erlös trachtet er danach, die Feste Stein – mitten im Rhein bei der Stadt Rheinfelden – zu erwerben (Abbilildung: Modell im Fricktaler Museum, Rheinfelden), was ihm 1433 gelingt. Nun residiert Ritter Wilhelm von Grünenberg auf dem Stein; im Oberaargau setzt er auf den restlichen Gütern einen Vogt ein. Von seinem neuen Wohnsitz aus entfaltet er eine emsige Tätigkeit, ist Schiedsrichter und einmal, 1440, sogar Obmann eines eidgenössischen Schiedsgerichts. Eine besondere Ehre wird ihm zuteil, als er die Gesandtschaft leiten darf, die dem soeben gewählten Papst, Herzog Amadeus VIII. von Savoyen2, von seiner Wahl am Konzil von Basel vom 5. November 1439 berichten soll.

Doch schon wieder braut sich Unheil zusammen über dem letzten Grünenberger: Kaiser Friedrich III. von Habsburg schliesst 1442 ein Bündnis mit Zürich. Die übrigen Eidgenossen setzen sich zur Wehr, und im Zuge dieser Feindseligkeiten – dem Alten Zürichkrieg – schicken die Berner, Solothurner und Basler 1443 den Absagebrief an Wilhelm in Rheinfelden. Am Rhein kommt es zwar nicht zum Krieg, aber Berner Truppen nehmen die Feste Grünenberg ein, noch bevor Wilhelm die Herrschaft dem Abt Niklaus Hollstein von St. Urban hat verkaufen können. 1444 wird Grünenberg definitiv bernisch.

Und es kommt noch schlimmer: Das Armagnaken-Heer mit etwa 40'000 Soldaten verwüstet das Land, und die Basler werfen Wilhelm vor, Stifter von deren Vorrücken gewesen zu sein. Auch nach der Schlacht von St. Jakob an der Birs wendet er sich indirekt gegen die Basler, indem er dem Habsburger Hans von Rechberg den Flussübergang über den Rhein ermöglicht – zum direkten Angriff auf Kleinbasel.

Mit diesem Feldzug ensteht ein Konflikt zwischen Basel und Habsburg, im Verlauf dessen Basel zusammen mit Bern und Solothurn Wilhelms Stein 1445 bombardieren, besetzen und zerstören. Das Städtchen Rheinfelden sagt sich von Habsburg los, wird aber 1448 durch einen Handstreich wieder genommen – es geschehen dabei unmenschliche Rohheiten, für die auch Wilhelm verantwortlich ist. In Rache verwüsten die Basler Schloss und Herrschaft Binzen. Welch eine Tragödie für Grünenberg!

Endlich, 1449, schliessen Wilhelm und die Stadt Basel Frieden, und Rheinfelden wird wieder habsburgisch. Als Amtmann der Habsburger wohnt Wilhelm in der Stadt Rheinfelden. 1450 erklärt er, dass er für sich und für seine Erben auf alle Forderungen gegenüber Basel verzichte. 1452 oder 1453 stirbt Wilhelm, nicht ohne noch einmal das Kloster St. Urban beschenkt zu haben.

* * *

Was wird nun aus den Herrschaften im Oberaargau? Bis 1453 ist Grünenberg ein eigenes bernisches Amt, dann wird es mit Aarwangen zusammengelegt. Der andere Teil des Besitzes, die Herrschaft Langenstein, geht zuerst an die Erben Johann Grimms III. 1480 schliesslich, in die Hände der Luternau gelangt, muss Langenstein mit Schloss und Herrschaft aus finanzieller Not an Bern verkauft werden.




1 Website des Historischen Vereins des Kantons Bern: http://www.hvbe.ch/. Up

2 Amadeus VIII. von Savoyen wurde 1416 von Kaiser Sigismund aus dem Hause Luxembourg zum Herzog erhoben. Am Konzil von Basel wurde Amadeus dem regierenden Papst Eugen IV. entgegengesetzt. Unter dem Namen Felix V. bewegte sich der Gegenpapst unter schwierigsten politischen und finanziellen Bedingungen. Er übergab das Amt nach dem Tode Eugens 1447 in die Hände des einzigen Nachfolgers, Papst Nikolaus V, und zog sich wieder zurück nach Ripailles. Amadeus VIII. starb 1451 in Genf im Alter von 68 Jahren. Lovie, Jacques (Prof. h. c.): Les Ducs de Savoie (Société Savoisienne d'Histoire et d'Archéologie (Hrsg.): L'Histoire en Savoie, Bd. 67, 32. Jahrgang). Nachdruck, 1998. Seite 5. Up