Balustrade
Die Befunde zur Hermenbalustrade unterteilen sich in zwei Bereiche: Zum einen gilt es, Fundumstände und Beschaffenheit der Hermen auszuwerten, zum andern den Stil der Plastiken zu beurteilen. Vorerst werden hier die Balustradenpfeiler untersucht.
Die Balustradenpfeiler
Die Pfeiler der Hermenbalustrade bestehen aus Lothringer Jurakalk, der häufig grosse Ooide1 aufweist (Kinnband von Nr. 83),2 seltener auch Muschel-Einschlag (Nr. 78).3 Sehr häufig sind auch porige Stellen, deren kleinere und grössere Löcher die plastische Ausführung bei den meisten Hermenbüsten beeinträchtigen.
Aus der Rekonstruktion des Bassins ergibt sich eine Anzahl von 112 Hermen unter der Annahme zweier Mittel-Exedren oder 96 Hermen mit gerade ergänzten Seiten. Diese 112 bzw. 96 Hermen variieren in ihren Dimensionen, wie die nachfolgende Auflistung zeigt:
Masse der Hermen | Minimum | Maximum |
---|---|---|
Gesamthöhe | 134 cm (Nr. 16) | 149 cm (Nr. 13) |
- davon Schafthöhe | 93 cm (Nr. 18, 71) | 101 cm (Nr. 78) |
Schaftbreite | 26 cm (Nr. 12, 18, 98) | 37 cm (Nr. 13) |
Schafttiefe | 24 cm (Nr. 15, 21, 73, 74) | 31 cm (Nr. 19, 99) |
Tabelle 1: Masse der Hermen.
Diese für einen Zaun eigentlich erstaunlich unterschiedlichen Masse werden verdeutlicht in der nachfolgenden Skizze (Abbildung 9: Masse der Hermenschäfte).
Masse der Hermenschaefte. Grafik: Lukas Wenger.
53 der 70 Hermen können bezüglich der Steinbearbeitung näher beurteilt werden. Von diesen besitzen 43 (81%) Klammer- oder Dübellöcher, die zusammen mit dem Geländer keinen Sinn ergeben. Es muss also eine frühere Verwendung der Quader angenommen werden. Störende Klammerspuren wurden mit Kalk zugeschmiert oder mit einem passenden Steinzapfen aufgefüllt und anschliessend zugesetzt. Aufgrund der Klammerungen kann eine ursprüngliche Verwendung in Quadern von jeweils sechs Hermen angenommen werden (Abbildung 10: Schema der Kalksteinquader in ihrer Erstverwendung4). Diese Aussage ist für die meisten der Hermenschäfte zutreffend, könnte also für den ganzen Bestand gelten.5
Schema der Kalksteinquader in ihrer Erstverwendung. Wrede 1972: 33, Abb. 10.
Wahrscheinlich stammen alle Quader von einem einzigen monumentalen Bau aus Welschbillig selbst oder aus der näheren Umgebung. Vier Schäfte weisen Bohrungen auf und deuten damit auf eine Wasserleitung hin – daraus ergibt sich jedoch noch keine Vorstellung über Gestalt und Funktion des ursprünglichen Baus.
Hettner noch hatte aus der Schaftbearbeitung auf Reliefs geschlossen, was sich nicht erweisen lässt. Die Verwendung von Kalkstein kann nach Wrede für die ursprüngliche Verwendung auf das 1. oder frühe 2. Jahrhundert hinweisen. Die Hermen waren ursprünglich bemalt, wie Hettner beobachtet hatte. Er fand noch rote Farbspuren auf einer weissen Grundierung, was heute nicht mehr sichtbar ist.
1 «Ooid: kleines rundes Gebilde aus Kalk oder Eisenverbindungen, das sich schwebend in bewegtem Wasser bilden kann (Geologie).» Definition nach Müller, Wolfgang/et. al.: Das Fremdwörterbuch. Duden, Bd. 5. Bibliographisches Institut, 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Mannheim, 1982.
2 Wrede, Henning: Die spätantike Hermengalerie von Welschbillig. Untersuchung zur Kunsttradition im 4. Jh. n. Chr. und zur allgemeinen Bedeutung des antiken Hermenmals. Reihe: Römisch-germanische Forschungen, Bd. 32, Walter de Gruyter & Co., Berlin, 1972. Seite 30, Tafel 44, 2.
3 Wrede 1972 (s. o., Anmerkung 2): Tafel 28, Seite 3.
4 Wrede 1972 (s. o., Anmerkung 2): Abb. 10, Seite 33.
5 Wrede 1972 (s. o., Anmerkung 2) führt noch weitere Kombinationsmöglichkeiten auf, die aber wegen anderer Klammerung ausscheiden. Anmerkung 26, Seite 33.