Piscina

Die Hermenköpfe von Welschbillig säumten eine grosse Piscina. Bei der systematischen Grabung 1891/92 wurden deshalb nicht nur die Plastiken geborgen, sondern auch die Befunde zu diesem Wasserbecken der Villa aufgenommen.

Ein grosser Fischteich: Befunde zur Piscina

Welschbillig liegt rund 16 Kilometer nördlich von Trier. 1891/92 führte das Trierer Provinzialmuseum – das heutige Rheinische Landesmuseum (Internet: http://www.landesmuseum-trier.de) – systematische Ausgrabungen durch: Gefunden wurde ein Bassin mit den Abmessungen 58,3 m × 17,8 m, dazu im Bassin in Sturz-Lage 44 ganze Hermen, 7 Hermenköpfe, 1 Hermenschaft sowie 3 Schäfte zu bereits gefundenen Köpfen; sie ergänzen sich zu insgesamt 70 Hermen, die allesamt in Welschbillig gefunden worden waren. Diese Hermen dienten – Gesicht zur Wasserfläche – als Pfeiler der Bassin-Balustraden. Eine weitere Herme, 1958 gefunden, gehört nicht sicher zur Balustrade (in einer Rezension meint Weber doch).

Plan der Piscina bei der Villa von Welschbillig

Plan der Piscina. Brenner, in Cueppers 1983: 341.

Das heutige Dorf Welschbillig steht über dem römischen Villenbezirk (Abbildung 4: Piscina nach Brenner, 19761). Nur der Bereich des Bassins wurde systematisch erforscht, von der restlichen Struktur sind nur bei Bauarbeiten Fundamente angeschnitten worden. Daraus ergibt sich kein ganz abschliessendes Gesamtbild der Villa. Gesichert ist – mit Ausnahme des Mittelteils – die Form des Beckens.2 Vermutlich im 13. Jahrhundert wurde ein Burggraben durch die Mitte des Bassins angelegt. Ergänzt wird die Mitte heute entweder gerade oder mit je einem Exedra-förmigen Nebenbassin. Für diese Ergänzung spricht die Lage der andern vier Nebenbassins, die sonst wohl kaum so weit auseinander lägen. Hettner führt als ähnliches Beispiel die kleine Piscina im Peristyl der «Villa dei Pisoni» bei Herculaneum an (Abbildung 5: Bassin im Perestylhof der Villa dei Pisoni in Herculaneum3).

Villa in Herculaneum, Planskizze

Bassin im Perestylhof der Villa dei Pisoni in Herculaneum. Comparetti/de Petra 1898: Taf. 24; Wrede 1972: 18; Farbe: Lukas Wenger.

Das Problem beim Bau des Bassins in Welschbillig war der Lehmboden (Abbildung 6: a) und der sumpfige, mit Letten durchsetzte Erdboden (b). Deshalb musste aufwendig fundiert werden: Für die Balustrade wurde das Erdreich bis zum Lehmboden ausgehoben. Zuunterst wurde ein 220 cm breites und 30 cm hohes Mauerbett (c) angelegt. Auf einer ausgleichenden Lehmschicht vom 6 cm Dicke (e) kommt das eigentliche Fundament aus Rotsandsteinquadern (d) und darauf das Kalksteinmauerwerk (f) zu liegen.4 Auf diesem Mauerwerk ist innen bis hinauf zum Bassinboden ein Rauhputz (g) aufgebracht. Auf Bodenhöhe verringert sich die Mauerbreite aussen von 175 auf 97 cm,5 während innen der 3 cm dicke Wasserputz (m) beginnt. Das Fundament des Bassinbodens ist gepfählt (h). Die mörtelverbundenen Sand- und Kalksteinplatten (i) liegen auf den Pfählen auf; unter ihnen liegt eine Packlage aus rote Sandbruchstein (k) sowie ein Gussmörtelstrich (l; als zusätzliche Abdichtung bzw. auch als alleiniger Boden durchaus üblich). Die Bodenplatten sind zum grossen Teil wiederverwendet. All dies passt zu einer Entstehung im 4. Jahrhundert (vgl. Abbildung 6: Schnitt durch die Piscina).6

Schnitt durch die Piscina, Aufriss

Schnitt durch die Piscina. Koethe 1935: 198, in: Wrede 1972: 19.

Auf dem Bassinboden aufgesetzt war eine 85 cm breite Mittelmauer. Ihre Enden verbreiterten sich auf 120 cm und waren mit einem Springbrunnen geschmückt. Das Wasser stammte von einer Quelle am Steilhang des Geiberges im Südwesten; der Zuflusskanal wurde bei den Grabungen jedoch nicht gefunden. Der Abflusskanal befindet sich in der Nordwest-Ecke. Er besteht aus einem flachen Steinboden, die Seitenwände sind aus Ziegeln, teils auch aus wiederverwendeten Dachziegeln errichtet. Die Balustraden – wie auch die Hermen selbst – sind aus Jurakalk von der Obermosel (Lothringen).7 Die Hermenpfosten waren verbunden mit Schranken, die 5 bis 7,5 cm dick und 85 bis 101 cm hoch waren. Ihre Form konnte aus etlichen Bruchstücken rekonstruiert werden.

Modell der Piscina

Modell der Piscina. Cueppers 1983: 340.

Das Becken war mit einer 30 cm starken Lettenschicht und einer mehrere Zentimeter starken Ascheschicht gefüllt; es fanden sich etliche «Abfälle», das Bassin wurde wohl nachantik als Abfallgrube verwendet und auch dadurch teilweise verfüllt.

Aufgrund dieser Befunde wurde ein anschauliches Modell des Hermenbassins erstellt (Abbildung 7: Modell der Piscina8); es ist – wie die Originale auch – im Rheinischen Landesmuseum in Trier (Internet: http://www.landesmuseum-trier.de9) ausgestellt.

Deutung der Piscina

Hettner interpretierte das Bassin zuerst als Fischteich, weil die Nebenbassins rund 0,5 m tiefer gelegen sind: Bei der Reinigung des Beckens sammelten sich die Fische dort, während der mittlere Teil geputzt werden konnte. Später dann fand Hettner, wohl durch die Mittelmauer an Circus-Arenen erinnert, die Piscina sei ein Ruderteich. Dafür spreche seiner Ansicht nach, dass ja auch die Hermenköpfe zur Wasserfläche blickten. In dieser Ansicht ist ihm die ganze spätere Forschung, unter anderen der Historiker Rostovtzeff, gefolgt.

Wrede dagegen kehrt zur Deutung als Fischteich zurück. Er schliesst zwar nicht aus, dass auf der Welschbilliger Piscina auch gerudert worden sei, in ihren Massen scheint das Wasserbecken jedoch für Regatten zu klein, der Wasserstand mit einem Meter zu niedrig. Sicherlich war die Piscina ein architektonisches Schmuckstück der Villa. Die zur Wasserfläche blickenden Skulpturen scheinen keine seltene Aufstellung, wenn nicht sogar die Regel zu sein: Wrede erinnert an den Euripus der Hadriansvilla von Tivoli, den Euripus der Casa di Loreio Tiburtino in Pompeii und an die Balustradenhermen einer Peristyl-Piscina in Ephesos; auch die hintere Hermenreihe der Nymphäumsbrüstung von Leptis Magna konnte nicht einmal aus grosser Entfernung von vorne betrachtet werden.

Für die spätantike Datierung führt Koethe folgende Gründe an: Die Platten sind der ursprüngliche Boden, denn sie liegen direkt auf der Pfählung auf; weil etliche dieser Platten Spolien sind, ist dies ein Indiz für die Spätantike, ebenfalls die Spolien beim Abflusskanal, dessen Seitenwände Wrede ins fortgeschrittenen 4. Jahrhundert datiert. Die Verwendung von Spolien tritt in der Trierer Gegend erstmals in den 70er-Jahren des 3. Jahrhunderts auf – in der Notzeit der Germanenstürme – und dann wieder ab 330. Für die Zeit von 340 bis 363 war die violatio sepulcrorum verboten, und es darf angenommen werden, dass dieses Verbot gerade bei einem kaiserlichen Bau eingehalten wurde. Die Piscina ist somit nach-julianisch.




1 Cüppers, Heinz/et. al. (Hrsg.): Die Römer an Mosel und Saar. Zeugnisse der Römerzeit in Lothringen, in Luxembourg, im Raum Trier und im Saarland. von Zabern, Mainz, 2. korrigierte Auflage, 1983. 341. Up

2 Wrede, Henning: Die spätantike Hermengalerie von Welschbillig. Untersuchung zur Kunsttradition im 4. Jh. n. Chr. und zur allgemeinen Bedeutung des antiken Hermenmals. Reihe: Römisch-germanische Forschungen, Bd. 32. Walter de Gruyter & Co., Berlin, 1972. Abbildungen 2, 3 und 4 (Seiten 13, 15 und 17). Up

3 Comparetti, Domenico/de Petra, Giulio: La villa ercolanese dei Pisoni. I suoi monumenti e la sua biblioteca. Loescher, Torino, 1883. Tafel 24. Wrede 1972 (s. o. Anmerkung 2): 18. Up

4 Hier ist Wrede 1971 (s. o. Anmerkung 2), Seite 18, ziemlich unklar; unsere Beschreibung folgt deshalb Koethe, H.: Die Hermen von Welschbillig. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, Bd. 50, 1935. 198 ff. Weshalb sich Wrede nicht an den durchaus brauchbaren Text von Koethe gehalten hat, ist uns völlig schleierhaft; durch seine Umformulierung – und er liefert zur Skizze von Koethe auf Seite 19 (Abbildung 6) nicht einmal die Legende – macht er den Befund stellenweise unlesbar. Up

5 Was nach Koethe 1935 (s. o. Anmerkung 4) immer noch mehr ist als die in der mittleren Kaiserzeit üblichen 60 bis 70 cm. Up

6 Skizze von Koethe 1935 (s. o. Anmerkung 4), abgebildet in Wrede 1972 (s. o. Anmerkung 2): 19. Up

7 Wrede 1972 (s. o. Anmerkung 2): 30. Up

8 Cüppers 1983 (s. o. Anmerkung 1): 340. Up

9 Abbildungen des entsprechenden Raumes: http://www.landesmuseum-trier.de/museum/sammlung/img/bild6.jpg und http://www.landesmuseum-trier.de/rlm_rundgang/rundgang/grafik/raum38.jpg (Aufruf 1998). Die Bilder sind nicht mehr online erreichbar. Up