Der Schlossberg heute

Als letzte der Stationen kehrt der Rundweg durch das Dorf Melchnau im Jubiläumsbuch1 wieder an den Ausgangspunkt zurück: auf den Schlossberg. Zu Beginn gestartet im Mittelalter bei den Rittern von Grünenberg, geht es jetzt um die Gegenwart und die Frage, wie wir Heutigen mit den Denkmälern der Geschichte umgehen.

Luftbild der Burgruine Grünenberg

Die Überreste der Burg Grünenberg aus der Vogelperspektive lassen erahnen, wie die Anlage früher ausgesehen hat.

Schlossberg

Kartenausschnitt Station 19Unser Rundgang durch Melchnau nähert sich seinem Ausgangspunkt: Auf dem Schlossberg waren wir aufgebrochen, unterhalb des Schlossbergs stehen wir nun und schöpfen Atem für die letzten Schritte. Hinauf zum Schlossberg führt seit der feierlichen Eröffnung am 9. Mai 1996 ein neuer Kulturwanderweg, den wir im Zick-Zack hinansteigen (wenn es jemand weniger steil haben möchte, so steht dafür die ebenfalls ausgeschilderte «Fahrstrasse» über die Festi zur Verfügung). Dieser Kulturwanderweg wurde erst vor so kurzer Zeit angelegt, weil sich in den letzten zehn Jahren vieles verändert hat auf dem Schlossberg. Mit diesen Veränderungen wurde insbesondere die Burgruine Grünenberg so bekannt, dass immer mehr Menschen auf Visite kommen – einige von ihnen nahmen dann für den Heimweg die inoffizielle Abkürzung durch den Wald hinunter zum Kirchenplatz, so dass 1996 der Weg angelegt worden war.

Doch beginnen wir bei den Anfängen dieser Veränderungen auf dem Schlossberg. Die aktuelle Beschäftigung mit den beiden Burgruinen von Melchnau, Langenstein und Grünenberg, geht zurück auf eine wunderbare Entdeckung: Anlässlich einer archäologischen Grabung in den Jahren 1948/49 fand die Gruppe um den Studenten René Wyss aus Herzogenbuchsee die Burgkapelle von Grünenberg2 und darin – einen Plattenboden mit verzierten Bodenplatten!

Bodenplatte mit dem Sujet 64 (nach Schnyder)

Bodenplatte von Grünenberg mit einer Darstellung dreier Figuren in Medaillons. Foto: Archäologischer Dienst des Kantons Bern.

Solche Bodenplatten stellten einst, etwa von der Mitte des 13. Jahrhunderts an, die Mönche von St. Urban her.3 Dabei schufen die innovativen Zisterzienser einen reichen Schatz an Verzierungen in romanischem und gotischem Stil. Bei der damaligen Oberschicht in Stadt und Land war diese verzierte Baukeramik sehr beliebt, sie wurde zum Exportschlager von Zürich bis ins Seeland und in den süddeutschen Raum. Die Archäologen erkannten sofort die Bedeutung dieser Entdeckung, denn einen Plattenboden mit St. Urban-Fliesen gibt es sonst nirgends mehr an originaler Stelle. Nach dem Ende der Ausgrabungen im Jahre 1949 erhielt der einmalige Boden deshalb ein schützendes Dach, eine Schutzhütte.

Schutzhütte auf dem Kapellenboden der Burgruine Grünenberg

Das Innere der Schutzhütte und der Plattenboden, aufgenommen 1950. Foto: Archaeologischer Dienst des Kantons Bern.

Der Boden im Innern wurde von nun an durch sorgende Menschen aus Melchnau gewartet. Im Winter erhielten die Platten einen schützenden Mantel aus Stroh. Doch auch wenn sich einige Wenige beständig der Kostbarkeit auf dem Schlossberg annahmen, sank doch allmählich das Interesse der Öffentlichkeit. Vierzig Jahre später war die Schutzhütte von 1949 bereits gezeichnet von der Zeit und baufällig. Dazu kam der Umstand, dass auch die Mauerteile der südlichen Burgmauer einzustürzen drohten. Weil Grund und Boden der Burgergemeinde gehören, sah man sich auch aus Haftungsgründen gezwungen, zu handeln. Es gab zwei Alternativen, um die Einsturzgefahr der Ruinenmauern zu bannen: einreissen und entfernen oder sanieren und schützen. Ausgehend vom Volksverein wurde ein Konzept zur Sanierung der Ruine Grünenberg erarbeitet. Glücklicherweise fanden sich in Melchnau beherzte Menschen und in Andreas Morgenthaler ein initiativer Präsident, die sich der Burg Grünenberg annahmen. Um zu den dringend nötigen Subventionen zu kommen, wurde 1991 die Stiftung Burgruine Grünenberg Melchnau gegründet. Als Stifter beteiligten sich die Burgergemeinde, die Einwohnergemeinde und die Kirchgemeinde. Diese drei Stifter übertrugen der neuen Institution die Aufgabe, zusammen mit den Fachstellen des Kantons und des Bundes die Ruine Grünenberg zu erhalten. Neben der Stiftung wurde im selben Jahr auch ein Verein ins Leben gerufen, welchem die Aufgabe zuteil wurde, die Bevölkerung und weitere interessiert Kreise über das Projekt «Sanierung Grünenberg» zu informieren.4

Sanierungsarbeiten an der Südmauer der Grünenberg

Ein Maurer reinigt mit einem Hochdruck-Wasserstrahl die Fugen der Südmauer, bevor sie mit Mörtel – nach mittelalterlichem Rezept! – neu verfüllt werden können. Foto: Archäologischer Dienst des Kantons Bern.

Die Arbeiten begannen 1992 an der dringend gewordenen Partie der Südmauer (Abbildung), nachdem für die Finanzierung ein Gesamtrahmen von Geldern aus dem kantonalen Lotteriefonds und vom Bundesamt für Kultur gesprochen worden war. Auch Sponsoren aus unserer Region trugen das Projekt mit. Mehrere Etappen waren vorgesehen und wurden bis 1998 realisiert:

  • 1992: Sanierung der Südmauer;
  • 1993: Die Schutzhütte wird von Vereinsmitgliedern abgetragen, es entsteht ein moderner Schutzbau mit Glasfronten, welche von nun an Einblick gewähren auf den Plattenboden;
  • 1994: In einer eher ruhigen dritten Etappe wurde der Plattenboden, nun bereits unter dem modernen Schutzbau, fachgerecht restauriert. Gegen Herbst dann die grosse Überraschung: der Turmstumpf kam zum Vorschein, mit einem Mauerwerk aus besonders grossen, schönen Buckelquadern;
  • 1995: die vierte Etappe führte die Arbeiten an der Mauer weiter; der südliche Palas (Wohngebäude) wurde konserviert; zusammen mit den Berner Wanderwegen wurde in einem Arbeitslosenprojekt mit der Anlage des Kulturwanderweges vom Kirchenplatz auf den Schlossberg begonnen;
  • 1996: In der fünften Etappe wurden der Nordpalas und der Turmstumpf saniert. Der Eingangsbereich mit Zwinger kam zum Vorschein;
  • 1997 bis 1998: Für den Abschluss der Sanierung galt es, die Ruine Grünenberg zu erschliessen und zu einem Aufenthaltsort aufzuwerten. Ein Steg führt nun die Besucher genau so in die Burg, wie es ihre einstigen Bewohner im Mittelalter auch erlebt hatten. Der Innenhof erhielt eine eigene Gestalt durch eine Feuerstelle und durch Sitzgelegenheiten.

Logo von Verein und Stiftzung Burgruine GrünenbergNeben all diesen baulichen Tätigkeiten gelang es dem Verein Burgruine Grünenberg, jedes Jahr interessante Referenten nach Melchnau zu holen, welche dem Publikum aus ihren Fachgebieten Burgenforschung, Kunstgeschichte, Kunsthandwerk und Geschichte erzählten. Seit 1998 sind die Burgruinen auch im Internet erreichbar.

Einige Aktivitäten verliessen den Rahmen der Burgenkunde: Dank der Bekanntschaft mit Richard Bucher, dem «Klosterziegler von St. Urban», ergab sich 1997 die Möglichkeit, Bodenplatten nach den alten Vorbildern handwerklich wieder herzustellen. Genau einhundert solcher Duplikate wurden an den öffentlich zugänglichen Anlässen im Mai gefertigt und im Herbst gebrannt.5

Die Burgruine Grünenberg im Herbst

Das Kupferdach des Schutzbaus leuchtet im herbstlichen Wald über die sanierte Südmauer hinweg. Foto: Archäologischer Dienst des Kantons Bern.

Nach dem Abschluss der Feldarbeit auf dem Schlossberg wartet immer noch viel Arbeit: Die archäologischen Funde und Ergebnisse müssen verarbeitet und publiziert werden, was in der Regel mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Auch die historische Forschung6 hat noch nicht alles entdeckt und zusammengetragen, was anscheinend in Archiven und Quellen zu finden ist. Eine erste Gesamtschau war nun – und damit zurück zum Thema dieses Buches – in einer Ausstellung im Rahmen des Jubiläums «900 Jahre Melchnau» im Gasthaus Löwen das ganze Jahr 2000 über zu bestaunen. Wertvolle Funde wie zum Beispiel Bruchstücke von luxuriösem Flachglas (!), ein Wagenreifen (zur «Kutsche» der Freiherren?), Ofenkeramik und ein Holzkessel aus dem Sodbrunnen illustrierten das Leben in den Melchnauer Burgen.




1 Text und Bild nach Wenger, Lukas/et al.: Melchnau auf dem Weg. 900 Jahre Melchnau, 2000. Merkur Druck, Langenthal, 2000. Up

2 Wyss 1939. Sein Grabungsbericht ist publiziert im Internet unter http://lwl.homeip.net/gruenenberg?m=H;v=wyss_1949_text. Up

3 Die Baukeramik von St. Urban war verschiedentlich Thema von Arbeiten. Grundlegend sind Zemp 1898 und Schnyder mit seiner Dissertation 1957. Up

4 Die Mitgliedschaft im Verein Burgruine Grünenberg steht allen Personen offen. Der Jahresbeitrag beträgt gegenwärtig (Jahr 2000) für Einzelmitglieder bis 25 Jahre 10 Franken, darüber 20 Franken, für Ehegatten/Paare 30 Franken und für Juristische Personen 100 Franken. Up

5 Wenger 1998 bzw. im Internet unter http://lwl.ch/cms/index.php/wissenschaft/bodenplatten. Einige der Bodenplatten-Duplikate stehen noch zum Verkauf: Sie können für 150 Franken gekauft werden beim Verein Burgruine Grünenberg Melchnau, Postfach 35, 4917 Melchnau. Up

6 Eine erste moderne Geschichte der Freiherren von Langenstein-Grünenberg veröffentlichte der Grünenberger «Hof-Historiker» Dr. Max Jufer 1994. Er ist seit 2003 im Internet mit einer eigenen Website präsent: http://oberaargau-historiker.com/. Up