Streichen

Dank der Auseinandersetzung mit den überlieferten Originalen ermöglicht es der Klosterziegler Richard Bucher, heute wieder Bodenplatten nach Art der mittelalterlichen Mönche herzustellen – zu «streichen», wie der Fachausdruck lautet.

Das «Streichen» von Bodenplatten

Die Vorbereitungen für die Bodenplatten-Duplikate sind jetzt getroffen: Der Lehm ist mit mehr als einem Jahr Geduld aufbereitet und das Model in tagelanger, ja wochenlanger Arbeit geschnitzt.1 Im Atelier des Handzieglers müssen aber noch einige weitere Hilfsmittel vorhanden sein:

  • Hölzerne Rahmenformen in der richtigen Grösse
  • Quarzsand, um wie beim Kuchenbacken die Formen zu «pudern»
  • Hölzerne Stöpsel, um den Ton in die Formen zu klopfen
  • Ein Eisendraht zum Abziehen des überschüssigen Tons
  • Verschiedene Spachtel, um die Oberfläche der Platten zu glätten
  • Für jedes Model einen Hammer von passender Grösse und Schwere

Geräte eines Handzieglers, Zeichnung: Richard Bucher

Abbildung 5: Gerätschaften im Atelier, die es zum Herstellen von Bodenplatten braucht (Zeichnung: Richard Bucher).

Dazu kommen weitere Hilfsmittel wie Holzstückchen in verschiedenen Grössen, Talkpuder, damit der Ton nicht an den Modeln haften bleibt, und feine Nadeln, die dazu dienen, Luftblasen aufzustechen. Und nicht zu vergessen: Jede fertige Bodenplatte bekommt ein Brett als Zwischenlager. Darauf kann sie trocknen, bevor sie gebrannt wird. Die Trockenzeit beträgt je nach Dicke des Werkstücks einige Wochen bis einige Monate.

Die Herstellung von Bodenplatten – man spricht etwa auch vom Platten- oder Ziegelstreichen – ist alles andere als sanft und hat mit «Streichen» anfänglich nichts zu tun. Zuerst wird die Form mit Schraubzwingen auf der Unterlage festgeschraubt. Der aufbereitete Ton wird in grossen Portionen in den gesandeten Holzrahmen hineingelegt und dann mit einem hölzernen Stöpsel in die Form hineingeschlagen. Diese Tätigkeit ist die anstrengendste und für die künftige Bodenplatte von grosser Wichtigkeit: Je mehr und je besser der Ton in die Form geschlagen wird, desto weniger Luftblasen bleiben, die später beim Brand die Platte in Stücke sprengen könnten.

Anschliessend wird mit einem Draht die überschüssige Menge Ton abgezogen. Die so entstandene Fläche wird mit einem Spachtel oder mit einer Kelle glattgestrichen. Luftblasen, die sich dabei unter der Oberfläche verraten, können mit einer Stecknadel aufgestochen werden. So wird die Fläche für den grossen Augenblick vorbereitet: die Verzierung mit den Modeln. Das gewünschte Model wird vorher mit Talk bepudert, dann vorsichtig aufgesetzt. Mit einem passenden Holz- oder Gummihammer wird das Model in den noch weichen Ton eingeklopft. Um das Model von der Oberfläche zu lösen, erhält es auf einer Seite einen weiteren Hammerschlag – es löst sich auf der anderen Seite, und kann abgehoben werden. Gleich anschliessend wird das verwendete Model mit einem Zahnbürstchen oder einem Pinsel gereinigt, damit keine Tonresten an den eingeschnitzten Mustern antrocknen können. Und dann kommt das Model zurück in seine Schachtel, damit dem wertvollsten Stück im Atelier nichts geschieht – die aus dem Mittelalter erhaltenen Prägungen lehren uns, dass einige Model hie und da einen Schaden davontrugen...

Wenn gewünscht, werden weitere Verzierungen angebracht. Nun muss die fertige Platte noch aus dem Rahmen auf das Trockenbrett umgebettet werden. Dort angekommen erhält sie letzte Retuschen, bevor sie zum Trocknen gelagert wird.




1 Text und Abbildung nach Wenger, Lukas: Neue St. Urban-Backsteine nach altem Vorbild, in: Jahrbuch des Oberaargaus, Band 41, Merkur Druck, Langenthal, 1998. 231-233. Up